Page 5 -
P. 5
Ich denke, dass wir in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren
vieles gemeistert haben. Das war nicht immer leicht, das hat Opfer
gekostet, nicht immer gerechte, und sicherlich in der Mehrzahl auf
der Seite des Ostens. Aber es wurden viele politische, wirtschaftliche
und soziale Berge überwunden, so dass wir heute, auf unserem
aktuellen Berg, auf die vergangenen 30 Jahre zurückblicken und auf
die kommenden Jahre nach vorne schauen können.
Diese sind nicht gewiss, sondern beinhalten gerade in den
gegenwärtigen Monaten viele Unwägbarkeiten und
Herausforderungen – Europa, Corona, der Umgang mit einer
radikalen Partei wie der AfD, die Abwanderung aus den ländlichen
Gebieten Ostdeutschlands. Das sind die nächsten Gipfel, die wir
erreichen müssen, dort hinauf müssen wir, auf manchmal steinigen,
auf vielleicht manchmal auch bequemeren Wegen.
30 Jahre Wiedervereinigung in Deutschland. Historisch betrachtet ist
dies eine sehr kurze Zeit. Aber es wurde viel geschafft. Und dafür
können alle, die mit diesem Land zu tun haben, sehr dankbar sein.
Und diese Dankbarkeit verpflichtet uns zur bewussten
Wahrnehmung unserer Vorbildrolle, mit kritischem Blick, mit
Neugier und mit Offenheit. Aber so können wir auch einem Land wie
Argentinien zeigen, dass es Möglichkeiten gibt, Herausforderungen
anzunehmen und zu bewältigen. Mit Optimismus und Disziplin. Mit
klaren Gedanken und Transparenz im Agieren. Mit nachbarlicher
Rücksicht und in gegenseitigem Zuhören. Dass so ein Weg aus der
Krise gezeigt werden kann, dies wünsche ich meinem Gastland als
jemand, der über die jüngere Geschichte seines eigenen Landes bei
allen überwundenen und gegenwärtigen Problemen nur froh sein
kann.